Alveoläre Pneumonie
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines zur Pneumonie[Bearbeiten]
Definition und Einteilung[Bearbeiten]
Die Pneumonie ist eine akute oder chronische Entzündung des Lungenparenchyms, die den Alveolarraum und/oder das Interstitium umfasst. Ätiologisch kommen infektiöse, chemische, physikalische und immunologische Ursachen in Betracht.
Derzeit werden nebeneinander unterschiedliche Klassifikationen der Pneumonien verwendet. So wird im angloamerikanischen Raum der Begriff „Pneumonie“ auf mikrobiell ausgelöste Lungenentzündungen beschränkt. Physikalisch-chemisch induzierte Entzündungen werden unter dem Begriff Pneumonitis und allergisch-toxisch induzierte entzündliche Lungenveränderungen als Alveolitis bezeichnet.
Von der typischen Pneumonie lassen sich primär atypische Pneumonien abgrenzen. Sie verlaufen symptomarm und treten häufiger bei jüngeren Menschen auf.
Die Einteilung der Pneumonien nach morphologischen Gesichtspunkten erfolgt einerseits
- nach der Lokalisation der entzündlichen Reaktion in alveoläre und interstitielle Pneumonien und andererseits
- nach der Zusammensetzung des entzündlichen Exsudats in akute exsudative sowie chronische proliferative Formen.
Alveoläre Pneumonie[Bearbeiten]
Definition[Bearbeiten]
Alveoläre Pneumonien sind durch eine entzündliche Exsudation in die Alveolen gekennzeichnet. Häufigste Ursache sind bakterielle oder mykotische Infektionen.
Unter pathogenetischen Gesichtspunkten kann man primäre Pneumonien von sekundären, d.h. einem vorbestehenden Lungenschaden aufgepfropften, Lungenentzündungen abgrenzen. Aus therapeutischer Sicht ist eine Unterteilung in ambulant und nosokomial erworbene Pneumonien von Bedeutung, da diese im Hinblick auf die Häufigkeit der unterschiedlichen Keime und auf deren Antibiotikaresistenz differieren.
Epidemiologie[Bearbeiten]
Die Häufigkeit alveolärer Pneumonien in Deutschland wird auf etwa 140 000 pro Jahr geschätzt. Das klinische Bild zeigt fließende Übergänge zwischen symptomarmen bis hin zu letal ausgehenden Pneumonien. Nur letztere sind meldepflichtig, sodass die Dunkelziffer an Pneumonien bei den hausärztlich betreuten Patienten groß ist. Etwa 7% aller im Krankenhaus befindlichen Patienten erkranken an einer nosokomialen Pneumonie.
Ätiologie[Bearbeiten]
Streptococcus pneumoniae ist bei den ambulant erworbenen Pneumonien der häufigste bakterielle Erreger. Daneben spielt Haemophilus influenzae eine wichtige Rolle. Bei den nosokomialen Pneumonien dominieren die gramnegativen Keime mit etwa 50-60% der Fälle, darunter insbesondere Pseudomonas aeruginosa (15-20%). Grampositive Keime lassen sich in etwa 15-20% der Fälle nachweisen, dabei handelt es sich fast ausschließlich um Staphylokokken. Die wichtigsten Lungenmykosen sind Candidiasis und die Aspergillose.
Pathogenese[Bearbeiten]
Die peripheren Bronchien sind bei gesunden Personen steril. Gelangt ein Bakterium aus dem oberen Respirationstrakt in die peripheren Atemwege, führen die dort wirksamen Abwehrmechanismen (Opsonisierung und Phagozytose etc.) normalerweise zu seiner Beseitigung. Spontane Pneumonien werden durch die Exposition gegen virulente Erreger, eine herabgesetzte allgemeine oder lokale Abwehrlage oder begünstigt. Prädisponierend für Nosokomialpneumonien sind vorbestehende Erkrankungen, die mit einer Zunahme von gramnegativen Keimen in den oberen Atemwegen einhergehen. Die Akquirierung dieser Keime erfolgt bereits nach 2 bis 3 Tagen Krankenhausaufenthalt, und nahezu die Hälfte der Patienten ist betroffen. Die oropharyngeale Flüssigkeit mit den Keimen wird in die tiefen Atemwege aspiriert.
Pneumonieformen nach Ausbreitung[Bearbeiten]
- Lobärpneumonien: große Areale; Befall von Segmenten oder häufig ganzen Lungenlappen, gleichförmige Ausbreitung, häufigster Erreger ist Streptococcus pneumoniae
- Bronchopneumonien: herdförmige, meist zentrolobulär im Bereich der Bronchiolen beginnende lobuläre Entzündung mit verschiedenen Stadien der Entzündung in den einzelnen Herden
Klinik[Bearbeiten]
Symptome: Fieber, Husten, rot-bräunlicher bis gelber Auswurf, Pleuraschmerzen. Winter als typische Jahreszeit mit vorhergehenden viralen Infekt. Klinischer oder röntgenologischen Nachweis eines pulmonalen Infiltrats. Im Blutbild findet sich meistens eine Leukozytose mit oder ohne Linksverschiebung. Der Erregernachweis kann im Sputum oder bei Bronchiallavagen erfolgen.
Pilzerkrankungen der Lunge zeigen nur unspezifischen Symptome wie Reizhusten, subfebrile Temperaturen, asthmoide Komponenten bei Pilzbronchitis sowie Dyspnoe und Zyanose bei ausgedehnteren Pneumonien. Im Röntgenbild findet sich ein uncharakteristisches Infiltratmuster wie bei Herdpneumonien bis zum Bild von Lobärpneumonien bzw. Rundherdbefunde bei Myzetomen, z.B. im Bereich vorbestehender Kavernen. Das Aspergillom, ein typisches Myzetom, ist durch einen Rundherd mit einer Luftsichel zwischen Pilzknäueln und Höhlenwandung, die sog. Halbmondbildung, charakterisiert. Der Pilznachweis wird mikroskopisch (positive PAS-Reaktion), kulturell oder serologisch durch Antigen-/Antikörperbestimmung oder mittels PCR erbracht.
Makroskopie[Bearbeiten]
Die Entstehung und Auflösung der exsudativen Entzündungsreaktion läuft morphologisch in charakteristischen Stadien ab.
- Anschoppung (nach Stunden): Es kommt zu Hyperämie und Permeabilitätsstörung der kapillären Strombahn. Befallene Lungenabschnitte sind blutreich, dunkelrot, schwer und konsistenzvermehrt.
- Rote Hepatisation (etwa 2.-3. Tag): Dieses Stadium ist durch die alveoläre Fibrinexsudation charakterisiert. Die Lunge zeigt makroskopisch eine zwar leberartig feste, jedoch brüchige Konsistenz (Hepatisation) und eine dunkelrote, infolge der aus den Alveolen hervorquellenden Fibrinpfröpfe gekörnte, trockene Schnittfläche.
- Graue Hepatisation (etwa 4.-6. Tag): Dieses Stadium stellt den Höhepunkt der Erkrankung dar. Makroskopisch ist der betroffene Abschnitt der bis zu 2 kg schweren Lunge stark vergrößert und zeigt eine graue, körnige, trockene Schnittfläche. Die graue Farbe resultiert aus dem Fibrinexsudat und der Zunahme segmentkerniger Leukozyten in den Alveolen.
- Gelbe Hepatisation (7.-8.Tag): Infolge der Verfettung und des Untergangs von Leukozyten bekommt die Lungenschnittfläche eine gelbliche Farbe. Es liegt nun eine eitrige Entzündung vor.
- Lyse und Regeneration (9.-11.Tag): Makroskopisch wieder feuchte Lungenschnittfläche.
Mikroskopie[Bearbeiten]
- Anschoppung:
- stark erweiterte Kapillaren
- intraalveolär ein eiweißreiches, zunächst seröses Exsudat, das Leukozyten, Makrophagen, abgelöste Alveolarepithelien und Erythrozyten enthält
- Rote Hepatisation:
- zunehmend dichtes Netz aus Fibrinfäden intraalveolar mit abgelösten Pneumozyten, reichlich Erythroyten und wenige inflammatorische Zellen
- Graue Hepatisation:
- Kapillaren mit emigrierenden Leukozyten in den Aveolarsepten
- Fibrinexsudat mit Zunahme segmentkerniger Leukozyten und zerfallende Erythrozyten in den Alveolenenge
- Gelbe Hepatisation:
- das alveoläre Exsudat wird von Leukozyten beherrscht
- Lyse und Regeneration:
- allmähliche Auflösung/Verflüssigung des intraalveolären Fibrinnetzes
- Regeneration des Alveolarepithels
- Entfaltung und Belüftung des Lungengewebes
Sonderformen[Bearbeiten]
- Sog. Friedländer-Pneumonie: Morphologische Besonderheiten der durch Klebsiella pneumoniae hervorgerufenen Pneumonie sind eine feuchte, schleimige Lungenschnittfläche, eine Neigung zur Abszedierung sowie zur Karnifizierung, häufig mit ausgeprägter Vernarbung.
- Legionellenpneumonie: Diese Pneumonie, auch Legionärs- bzw. Veteranenkrankheit genannt, wurde 1976 im Rahmen eines Treffens amerikanischer Kriegsveteranen in Philadelphia als „legionnaire's disease" zunächst endemisch, inzwischen weltweit beobachtet. Die im Spätsommer und Herbst bevorzugt beobachtete Pneumonieform (ca. 8000 Erkrankungen pro Jahr in Deutschland) wird aerogen durch gramnegative aerobe Stäbchenbakterien der Gruppe Legionellaceae hervorgerufen.
- Staphylokokken-Pneumonie: Diese Pneumonie tritt gewöhnlich im Gefolge einer viralen Pneumonie, insbesondere einer Influenza auf. Das Vollbild ist durch Parenchymnekrosen und Abszesse geprägt, begleitet von einem Pleuraempyem durch einen Abszesseinbruch in den Pleuraraum.
- Hämorrhagische Pneumonie: Infolge einer toxischen Schädigung der Endothelzellen von Alveolarkapillaren und zusätzlicher Pneumozytenschädigung führt der Übertritt von Blut in den Alveolarraum zu einem hämorrhagischen alveolären Exsudat. Wichtigste Ursache hierfür ist die Influenzavirusinfektion (Grippepneumonie).
- Aspirationspneumonie: Aspiration von Mageninhalt oder bakterienhaltigem Material führt zur Ausbildung einer Herdpneumonie, bevorzugt in den Unterlappen. Hinzu kommt eine durch den Magensaft hervorgerufene peptische Nekrose des Lungengewebes. Beim sog. Mendelson-Syndrom tritt nach Aspiration von Mageninhalt ein Schock mit Dyspnoe bis Asphyxie auf. Die Voraussetzungen für dieses schwere Krankheitsbild sind meist ein Koma, Schlafmittelintoxikation etc. Folge dieses Ereignisses kann ein ARDS sein.
- Pilzpneumonien: Die wichtigsten Lungenmykosen sind Candidiasis und die Aspergillose. Prädisponierend für die Entwicklung von Pilzpneumonien (= Lungen-/Pneumomykosen) sind Erkrankungen wie maligne Tumoren, Immundefekte, Kollagenosen und besonders auch Therapien mit Antibiotika, Zytostatika und Kortikoiden. Besonders gefährdet sind intubierte und beatmete Patienten auf Intensivstationen.
Komplikationen[Bearbeiten]
- Chronische karnifizierende Pneumonie: Reicht die Aktivität der Granulozyten und Makrophagen zur Lösung des Exsudats nicht aus, geht die exsudative in eine chronische proliferative Entzündung über. Aus der Alveolarwand sprossen Fibro- und Angioblasten in das fibrinreiche Exsudat ein, sodass pfropfartig angeordnete Granulationsgewebezonen entstehen, welche die Alveolarlichtungen weitgehend ausfüllen. Daraus entsteht ein zellarmes faserreiches Narbengewebe. Der betroffene Lungenabschnitt bekommt schließlich eine grauweiße Schnittfläche und eine fleischartig feste Konsistenz.
- Lungenabszess/-gangrän: Besonders im Alter, bei Diabetikern oder chronischem Alkoholabusus kommt es häufig zu Parenchymnekrosen mit Ausbildung von Abszessen. Die Abszesshöhle enthält Eiter und nekrotisches Lungengewebe. Bei Infektion mit anaerob wachsenden Fäulniserregern bildet sich eine Lungengangrän aus. Das Lungengewebe zerfällt mit Ausbildung einer schmierigen, graugrünlichen bis schwärzlichen Gangrän.
- Pleuritis: Bei der Lobärpneumonie bildet sich regelmäßig eine fibrinöse oder serofibrinöse Pleuritis aus. Sie beginnt etwa im Stadium der roten Hepatisation. Die Fibrinauflagerungen können nach dem Abklingen der pneumonischen Veränderungen resorbiert werden oder über eine organisierende Entzündung zu Verwachsungen oder Verschwartungen der Pleurablätter führen. Bei ausgeprägter begleitender Pleuritis sind ausgedehnte Pleuraergüsse möglich.
- Pleuraempyem/fortgeleitete Entzündung: In etwa 2-5% der Pneumokokkenpneumonien treten Erreger in das fibrinöse Pleuraexsudat über und verursachen ein parapneumonisches Pleuraempyem. Die Entzündung kann zudem auf lymphogenem Wege eine Mediastinitis bzw. Perikarditis verursachen.
- Sepsis
Literatur[Bearbeiten]
- Böcker, Pathologie, 4. Auflage
Virtuelle Präparate[Bearbeiten]
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Lobärpneumonie des Oberlappens, graue Hepatisation |
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Abszedierende Pneumonie | Abszedierende Säuglingspneumonie mit Pleuritis | Abszedierende Pneumonie mit eitriger Begleitpleuritis | Abszedierende Pneumonie mit Empyem |
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Staphylomykotisch-abzedierende Pneumonie des linken Unterlappens | Abszedierende Oberlappenpneumonie |
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karnifizierende Pneumonie mit bullösem Emphysem | karnifizierende Pneumonie |