Kreislaufschock

Aus Pathowiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Definition[Bearbeiten]

Generalisiertes lebensbedrohliches Kreislaufversagen mit Gewebeschädigung durch Hypoxie. Alle Formen des Schocks führen zu einer Mangeldurchblutung der terminalen Strombahn. Es findet eine lebensbedrohliche progressive Entwicklung über mehrere Stadien statt.

Klassifikation[Bearbeiten]

Die Verminderung des Flüssigkeitsvolumens, der Pumpkraft des Herzens oder eine Erhöhung des Gefäßvolumens führt zu einem Schock. Folgende Schockformen sind möglich:

Hypovolämischer Schock

Akuter Blutverlust, Flüssigkeitsverlust oder Verteilungsstörungen führen zur Hypovolämie.

Kardiogener Schock

Pumpversagen des Herzens mit verminderter Durchblutung der Kreislaufperipherie.

  • Intrakardiale Ursachen:
    • Erkrankungen des Myokards: Myokardinfarkt, Entzündungen des Myokards
    • Erkrankungen des Klappenapparates: akute Mitral- oder Aortenklappeninsuffizienz
  • Extrakardiale Ursachen:
    • Perikardtamponade mit Behinderung der diastolischen Füllung der Herzventrikel
    • Akute Obstruktion großer Gefäße, z.B. bei schweren Lungenembolien.

Septisch-toxischer Schock

Lipopolysaccharide (Endotoxine) führen bakterieller Sepsis zu einer Dilatation der peripheren Gefäße und einer Aktivierung und Schädigung des Endothels. Dies führt zu einer prothrombotische Aktivität, welche die disseminierte intravasale Gerinnung (DIG) fördert.

Anaphylaktischer Schock

Der anaphylaktische Schock ist Folge einer IgE-vermittelten Immunreaktion mit Freisetzung vasoaktiver Substanzen (z.B. Histamin, Arachidonsäurederivate etc.), die zur Erweiterung der Gefäßperipherie führen.

endokriner Schock

Selten. Kommt z.B. bei Ausfall der Hypophyse, der Nebenniere oder der Schilddrüse mit Störung des Zellstoffwechsels und der Flüssigkeitsverteilung sowie bei Insulinüberdosierung vor.

neurogener Schock

Tritt bspw. bei einer zentralen oder peripheren Vasomotorenschädigung (z.B. Schädel-Hirn-Trauma) auf, die zu einer Störung der Mikrozirkulation führt.

Pathogenese des Schocks[Bearbeiten]

Hypovolämischer Schock[Bearbeiten]

Reversibles Schockstadium

Blutverluste von etwa 1 Liter (25%) können durch folgende Mechanismen aufgefangen werden:

Hypovolämie --> verminderter venöser Rückstrom des Blutes --> Abnahme des Herzzeitvolumens --> Abfall des Blutdrucks --> sympathiko-adrenale Reaktion durch zentrale und periphere Druckrezeptoren --> Sekretion von Noradrenalin (sympathisches System und Nebennieren) und Adrenalin (Nebenniere) --> starke Arteriolen- und geringere Venolenkonstriktion (adrenerge, über α-Rezeptoren vermittelte Vasokonstriktion) der Haut, des Splanchnikusgebiets und der Nieren, Öffnung der Gefäße im Hirn und Herz (β-Rezeptoren) --> Zentralisation des Kreislaufs. Minderdurchblutung der Niere --> Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems --> Angiotensin II (adrenerge Vasokonstriktion) und Aldosteron (vermehrten tubulären Rückresorption von Natrium und Wasser) --> Volumensteigerung.

Irreversibles Schockstadium

Minderperfusion der Organe mit konsekutiver hypoxischer Schädigung --> Nachlassen des arteriolären Widerstands bei noch erhaltener venulärer Kontraktion und hypoxische Endothelschäden --> Steigerung des hydrostatischen Drucks im Kapillarbett --> Austritt von Blutflüssigkeit in das Interstitium --> weitere Verminderung des Blutvolumens. Gewebehypoxie --> Azidose, ungenügende ATP-Produktion und Versagen ATP-abhängiger membrangebundener Transportsysteme --> Einstrom von Natrium und Wasser in die Zellen (hydropische Schwellung) und Ausstrom von Kalium in das Interstitium und Blut (Hyperkaliämie). Schließlich Zellnekrosen und Azidose, die sich negativ auf die Herzfunktion auswirkt.

Hypoxische Schädigung von Endothel und Gewebe --> Freisetzung thrombosefördernder Faktoren wie Thromboplastin und Enzymen wie z.B. PAT-1 (Plasminogen-Aktivator-1) --> Aktivierung von Komplement- und Kininsystem --> Verstärkung der Exsudation und Vasodilatation. Thromboplastin fördert auch die Plättchenaggregation und damit die disseminierte intravasale Gerinnung. Endothelschädigung --> Emigration von Leukozyten --> Verstärkung des Gewebeschadens.

Durch eine Progression der oben aufgeführten Mechanismen kommt es schließlich zu schweren ischämischen Organschädigungen, insbesondere von Herz, Gehirn, Lungen, Nieren, und schließlich zum Tod des Patienten im irreversiblen Schock.

Kardiogener Schock[Bearbeiten]

Am Anfang des kardiogenen Schocks steht die akute Herzinsuffizienz. Die Folgen entsprechen denen des hypovolämischen Schocks.

Septisch-toxischer Schock[Bearbeiten]

Weitstellung der Gefäßperipherie bei normalem Blutvolumen:

Endotoxine (Lipopolysaccharide, z.B. bakteriellen Ursprungs) aktivieren verschiedene Kaskadensysteme im peripheren Blut wie das Komplementsystem und den Faktor XII, verursachen eine Freisetzung von Zytokinen aus Makrophagen und T-Lymphozyten und wirken zudem direkt zytotoxisch auf Endothelzellen.

Faktor XII --> Aktivierung des Gerinnungssystems (disseminierte intravasale Gerinnung), des fibrinolytischen System sowie des Kininsystems. Faktor XII --> Aktivierung der Komplementkaskade --> Bildung der Komplementfaktor-Fragmente C3a und C5a. Endotoxin --> Aktivierung zellulärer Mediatorensysteme (besonders in neutrophilen Granulozyten und Makrophagen) wie Sauerstoffradikale, Arachidonsäure-Metaboliten (Prostaglandine, Leukotriene) und Proteasen (z.B. Elastase). Endotoxin --> Aktivierung der Stickstoffmonoxid (NO)-Synthase von Endothelzellen und glatten Muskelzellen über Zytokine (TNF-α, IL-1, IL-6, IFN-γ) mit vermehrter Ausschüttung von NO --> generalisierte Vasodilatation und Plasmaexsudation --> Tachykardie und Blutdruckabfall --> Minderperfusion der Organe.

Ähnliche Wirkungen wie Endotoxin haben Zellwandbestandteile (Peptidoglykane, Lipoteichoiensäure) und Exotoxine grampositiver Bakterien (z.B. Staphylokokken, Enterotoxin, Toxic-Shock-Syndrom-Toxin 1 = TSST-1).

Allgemeine Morphologie[Bearbeiten]

Die pathologischen Veränderungen sind morphologisch gekennzeichnet durch

  • Mikrothromben aus Fibrin und Thrombozyten. Sie finden sich in den Arteriolen, Kapillaren und Venolen.
  • Blutungen in Haut, Schleimhäuten und parenchymatösen Organen. Sie werden sowohl durch lokale Faktoren als auch durch Verbrauch der Gerinnungsfaktoren im Blut verursacht (Verbrauchskoagulopathie).
  • Gewebenekrosen: Sie sind Folge von Hypoperfusion und Ischämie. Die Gewebenekrosen können zum Funktionsausfall des Organs führen.
  • Exsudation von eiweißreicher Flüssigkeit: Die Schädigung der Endstrombahn führt zu einer generalisierten Exsudation mit Ausbildung eines Ödems.

Organveränderungen beim Schock[Bearbeiten]

Todesursächlich sind schwere Organschäden in Lungen, Herz und Gehirn. Der schwere Schock führt zu einer Schädigung aller Organe, insbesondere der folgenden:

Lunge (50% aller Schockfälle)

Leber (50%)

  • Hypoxie --> unzureichende β-Oxidation der Fettsäuren --> Leberparenchymverfettung besonders im Läppchenzentrum
  • Schwerere Verläufe führen zu zentralen Leberparenchymnekrosen.
  • Beim septischen Schock können Ikterus und Cholestase auftreten.

Herz (35%)

  • einzelne Nekrosen von Myokardiozyten bis zu größeren subendokardialen Myokardinfarkten
  • subendokardiale Blutungen

Nieren (20%)

  • akute tubuläre Nekrosen und hyaline Mikrothromben bei akuter Niereninsuffizienz mit Oligo- oder Anurie.

Gastrointestinaltrakt (20%)

  • Prädilektionsstellen sind der Dünn- und Dickdarm
  • Ausbildung einer unregelmäßigen, fleckförmigen ischämischen Enteritis mit Nekrosen und Blutungen.
  • in schweren Fällen Durchwanderungsperitonitis.

Gehirn (10%)

  • hypoxischen Enzephalopathie.
  • besonders betroffen: Ganglienzellen des Sommer-Sektors des Hippokampus und die Purkinje-Zellen des Kleinhirns, in der Großhirnrinde die Grenzgebiete zwischen den arteriellen Versorgungsgebieten (sog. Grenzzonen- oder Wasserscheideninfarkte).

Literaturangaben[Bearbeiten]

  • Böcker, Pathologie, 4.Auflage

virtuelle Slides[Bearbeiten]

Schockleber[Bearbeiten]

Stauungsleber Schockhepatopathie S133 10 HE ico.jpg Schockhepatopathie Stauungsleber S132 10 HE ico.jpg
Schockhepatopathie mit venöser Blutstauung, Sektionsfall, HE Schockhepatopathie mit venöser Blutstauung, Sektionsfall, HE